©Tom Veeger
In keinem anderen Bereich werden so viele Rohstoffe verbraucht, wie in der Bauindustrie. Rund 40-50% Prozent des weltweiten Ressourcenkonsums fallen in diesem Sektor an. Eine erschreckende Zahl, vor allen Dingen wenn man an das Pariser Klimaabkommen denkt! Dort wurde das Ziel definiert, bis zum Jahre 2030 insgesamt 30% weniger Energie zu verbrauchen.
Die niederländische Regierung hat darum das Programm ‚Nederland Circulair in 2050‘ aufgesetzt. Ziel dieses Programms: 50% weniger primäre Rohstoffe bis 2030 zu verbrauchen und bis 2050 eine vollständige Kreislaufwirtschaft zu erreichen.
Für mich ist der Fall klar: Wenn sich der CO2-Fußabdruck der Bauindustrie künftig deutlich verringern soll, werden Bio-basierte Werkstoffe eine immer größere Rolle als Alternativen zu herkömmlichen Materialien spielen.
Viele Architekten und Ingenieure bewegt dies zum Umdenken. Auch forschen wir an der Eindhoven University of Technology schon seit geraumer Zeit zu diesem Thema. Zusammen mit Rijk Blok, Barbara Kuit und Torsten Schröder (ebenfalls Lehrende an der Eindhoven University of Technology) haben wir vom 4. bis 6. September 2019 beim New Yorker Kongress der International Association for Bridge and Structural Engineering New York IABSE 2019 unsere Ergebnisse zur Materialforschung präsentiert: So gibt es eine Vielzahl Bio-basierter Materialien wie Bambus, Hanf, Flachsfasern aber auch Mycelium und Lignin-basierte Fasern. Sehr spannend ist zum Beispiel Mycelium, wächst in Pilzen heran und kann als Grundstoff für einen Verbundwerkstoff mit Hanffasern fungieren.
Zwei realisierte Projekte aus Bio-basierten Materialien möchte ich hier kurz vorstellen:
1. Fußgängerbrücke auf dem Campus der Eindhoven University of Technology (Fertigstellung 2016)
Während die Verwendung von Glas- oder Karbonfasern hinlänglich bekannt ist, so stellt die Verwendung natürlicher Fasern eine Neuerung dar. Aus der Kombination natürlicher Harze und Fasern erhält man ein hochstabiles Material, das ähnlich belastbar ist wie konventionelle Materialien. Hierbei wird meist eine Kombination aus Epoxid- und Bio-basiertem Harz verwendet.
©Rijk Blok
So geschehen in Eindhoven. Ein Team der technischen Universität Eindhoven entwarf zusammen mit der Technischen Universität Delft, dem Centre of Expertice Biobased Economy und NPSP hier eine Bio-basierte Brücke, die 2016 realisiert wurde. Sie besteht aus 100% natürlichen Fasern und aus 56% natürlichen Harzen.
2. Canopy Design Projekt in Emmen/Holland (Fertigstellung 2019)
Für den ehemaligen Zoo in Emmen haben Studenten der Eindhoven University of Technology einen Pavillon entworfen. Ziel war es, herauszufinden, ob und wie mit Bio-basiertem Material innovative Architekturkonzepte entstehen können. Aus den unterschiedlichen Entwürfen wurde der sogenannte ‚Flight oft the birds pavillion‘ ausgewählt und realisiert. Meiner Meinung nach wird hier das Potential Bio-basierten Materials und seiner selbsttragenden Struktur besonders offensichtlich. Die Paneele aus Hanffasern und Polyethylen ließen sich ohne Schrauben, Nägel oder andere Fixierungen miteinander verflechten. Um den Konstruktionsprozess so einfach wie möglich zu gestalten, wurden identische, geometrische Module hergestellt.
Fazit:
Die beiden, sehr unterschiedlichen Projekte zeigen das Potential alternativer Baumaterialien sehr deutlich. Erstrebenswert wäre es aus meiner Sicht, die gewonnenen Erkenntnisse so rasch wie möglich an die Industrie heranzutragen, damit künftig noch weitere Projekte zum Thema Bio-basierte Baumaterialien gefördert werden können.
Seit Anfang 2020 läuft zum Beispiel an der Technischen Hochschule Eindhoven das von der EU geförderte Interreg North-West Europe Project „Smart Circlular Bridge“, das den Transfer von der Wissenschaft in die Praxis beschleunigen soll.